Angemessener Abschied für einen Kriegsverbrecher
Der Irak und die arabische Welt haben einen neuen Helden: Muntader Al-Saidi. »Das ist der Abschiedskuß, du Hund!« rief der irakische Journalist und schleuderte in Bagdad beherzt seine Schuhe auf US-Präsident George W. Bush. »Das ist von den Witwen, den Waisen und all denen, die im Irak getötet wurden!« Der scheidende Oberbefehlshaber aller amerikanischen Soldaten war am Sonntag zu einem geheimgehaltenen Besuch in die irakische Hauptstadt gekommen und hatte zusammen mit dem von Washington gestützten irakischen Ministerpräsidenten Nuri Al-Maliki ein sogenanntes Sicherheitsabkommen unterzeichnet. Das Truppenstatut regelt die weitere Präsenz der gut 146000 US-Soldaten in 400 Basen im Irak nach Auslaufen eines entsprechenden UN-Mandats Ende des Jahres. Offiziell heißt es, der Pakt sehe den schrittweisen Abzug der US-Truppen vor. Tatsächlich schreibt er die Anwesenheit der Okkupanten für weitere drei Jahre fest.

Auch wenn Muntader Al-Saidi sein Ziel am Sonntag abend knapp verfehlte, seine symbolträchtige Mißfallensbekundung hat ihn binnen kürzester Zeit zu einer Berühmtheit werden lassen. Die Bewegung des schiitischen Geistlichen und Besatzungsgegners Muqtada Al-Sadr lobte am Montag laut AFP die »spontane Aktion eines irakischen Bürgers, der seine Unzufriedenheit gezeigt hat«. Im Stadtteil Sadr City gingen Tausende Menschen auf die Straße und forderten die Freilassung des 29jährigen TV-Journalisten. Auf vorbeikommende Militärfahrzeuge prasselten dutzendweise Schuhe nieder.

Die von den Besatzern abhängige Regierung in Bagdad verurteilte die Attacke als »schändlichen Akt« und forderte, den im ägyptischen Kairo ansässigen TV-Sender Al-Bagdadija, für den Al-Saidi arbeitet, zu einer Entschuldigung auf. Der denkt gar nicht daran, auf Distanz zu gehen. Die Senderverantwortlichen forderten am Montag mit Verweis auf die »Demokratie und Meinungsfreiheit, die die US-Regierung dem irakischen Volk versprochen hat«, die umgehende Freilassung ihres Korrespondenten. In einer Stellungnahme rufen sie die internationale Presse zur Solidarität mit Al-Saidi auf. Den Angaben zufolge hat sich eine große Zahl Politiker und Intellektueller bereits hinter den TV-Journalisten gestellt. Auch Parlamentsabgeordnete und Stammesführer hätten sich in diesem Sinne geäußert. Die irakische Agentur INA erklärte: »Wir gratulieren ihm zu seinem mutigen Auftreten.« Der sunnitische Rat der Religionsgelehrten sprach von einem »historischen Moment«, in dem Bush und der Weltöffentlichkeit gezeigt worden sei, »was die Iraker von der Besatzung halten«. Viele Zeitungen in der arabischen Welt veröffentlichten am Montag das Foto des sich duckenden US-Präsidenten auf der ersten Seite. Al-Quds Al-Arabi titelte: »Ein angemessener Abschied für einen Kriegsverbrecher.«

Bush, der zum Ende seiner Amtszeit in den Irak geflogen war, gab sich nach der Attacke locker. »Wenn Sie die Fakten wissen wollen: Es war ein Schuh der Größe 44.« Er fühle sich nicht beleidigt und wisse nicht, was der Mann wolle, aber er habe sich zu keinem Zeitpunkt in Gefahr gesehen. Und: »Ich glaube nicht, daß ein Mann, der einen Schuh wirft, für eine breite Mehrheit im Irak steht.«

Von Bagdad aus flog Bush nach Afghanistan. Auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram ließ er sich von mehr als tausend amerikanischen Besatzungssoldaten bejubeln. Anschließend präsentierte er sich in Kabul mit Hamid Karsai, dem von US-Truppen gestützten afghanischen Präsidenten, ausgewählten Journalisten.