Je mehr der Zionismus sowohl auf dem militärischen Sektor als auch auf dem diplomatischen Sektor verliert, umso lauter ertönt die Propagandamaschinerie mit umso hässlicheren Lügen!

Heute – zum Geburtstag Imam Alis (a.) – fand zwischen Israel und dem Libanon ein Gefangenenaustausch statt, der es in sich hatte. Und die erneute Niederlage Israels ist für die Vertreter des Zionismus so schmerzhaft, dass sie in der gesamten Welt ihre Schreiber mobilisiert haben, um den erneuten Erfolg der Hizbullah zu denunzieren.

„Ist der Mörder eines kleinen Mädchens euer Held?“ So lautet die Schlagzeile in einer seriösen deutschen Zeitung. Und wie es dann in den weniger seriösen Blättern klingen wird, kann sich jeder vorstellen. Aber ist es wirklich so, dass Israel heute einen Kindesmörder frei lässt und die muslimische Welt die Freilassung eines Kindermörders feiert?

Ist es überhaupt vorstellbar, dass irgendeine Gruppe von Menschen, unabhängig davon, welcher Ethnie sie angehört und welcher Religion einen Kindermörder feiert? Welchen Hass muss man verspüren, und wie sehr muss man rassistisch orientiert sein, um gleich einer ganzen Gruppe von Menschen so etwas vorzuwerfen? Ja, sicher kann es sein, dass eine Gruppe von Menschen durch eine Falschinformation oder Propaganda jemanden feiert, der in Wirklichkeit ein Verbrecher ist, aber dann würde sie es in Unkenntnis der Geschehnisse tun. Aber gleich einer gesamten Religionsgemeinschaft und dazu dem Volk im Libanon inklusive Drusen und Christen, die heute mitfeiern, vorzuwerfen, sie würden einen Kindesmördern feiern, ist der perfideste Beweis für den Niedergang des Zionismus, der das Gesicht seiner menschenverachtende Ideologie nur noch durch die Schreiberlinge der westlichen Welt derart überschminken kann, dass man das Gesicht selbst nicht mehr erkennt. Wer aber ist denn da heute frei gekommen, und warum ist der Mann so “gefährlich“ für den Zionismus, dass sie solch eine lautes Geschrei um ihn veranstalten, wie sonst nie bei einem Gefangenenaustausch?

Knapp zwei Jahre nach Ende des Überfalls Israels auf den Libanon hat die Hizbullah heute die Särge mit den sterblichen Überresten der zwei israelischen Soldaten übergeben, deren Festnahme auf libanesischem Boden Vorwand für den israelischen Überfall war, bei dem auf libanesischer Seite etwa 1200, zumeist Zivilisten, und in Israel 159 Menschen, zumeist Soldaten, ums Leben kamen. Im Gegenzug wurden fünf Libanesen aus israelischer Haft entlassenen. Unter ihnen Samir Quntar.

Wer aber ist Samir Quntar? Und warum hat die Hizbullah seine Freilassung zur obersten Bedingung gemacht obwohl er gar kein Muslim ist?

Samir Quntar ist inzwischen 46 Jahre alt und ein libanesischer Druse. Er war 1979 an einer Kommandoaktion der damals aktiven Palästinensischen Befreiungsfront (PLF) als Anführer eines vierköpfigen Trupps beteiligt. Der Angriff erfolgte am 22. April 1979 nahe der Küstenstadt Naharija. Ziel der Operation war eine Militärbasis bei einer jüdischen Siedlung. U.a. wollte man nach eigenen Angaben eine hohe israelische Persönlichkeit gefangen nehmen und ihn dann gegen in Israel einsitzende Widerstandskämpfer gegen die Besetzung Palästinas austauschen. Der Trupp ist mittels eines Schlauchboots von Tyros im Südlibanon aus gestartet, um eine der größten israelischen Militärbasen in Naharija anzugreifen. Die Besonderheit der Aktion lag u.a. darin, dass es Quntar gelang, sämtliche Abwehrmaßnahmen und den Radar der Israelis zu durchbrechen. Bei der Ankunft in Naharija kam es dann zum ersten Schusswechseln mit israelischen Sicherheitskräften. Dabei wurde ein israelischer Korporal getötet. Daraufhin ist man in ein Hochhaus eingedrungen, in dem Quntar den israelischen Atomwissenschaftler Dany Haran gefangen nahm. Im Anschluss beim Versuch, wieder das Boot zu erreichen, gerieten sie in ein Feuergefecht, dass ihre Rückkehr verhinderte. Insgesamt wurden dabei sechs israelische Soldaten getötet und zwölf weitere verwundet, darunter auch der kommandierende General des Nordsektors, Jossef Zahur, welchen Samir Quntar mit drei Kugeln in die Brust getroffen hat. Zahur selbst hatte seine schweren Verletzungen überlebt und die Ereignisse zehn Jahre später in einem Interview mit einer israelischen Zeitung bestätigt. Quntar wurde von fünf Kugeln getroffen und zusammen mit einem zweiten Mitkämpfer von Israelis gefangen genommen. Die beiden anderen des Trupps wurden getötet.

Der enorme militärische Erfolg der Kommandoaktion – selbst wenn sie letztendlich vereitelt wurde – war ein Schock für Israel. Denn sie waren offenbar nicht in der Lage ihre eigenen Atomwissenschaftler, die wohl am Bau von Atomwaffen beteiligt waren, hinreichend zu schützen und zudem konnte ein Schlauchboot in Israel eindringen und so viel Schaden anrichten.

Um diesen Misserfolg zu kaschieren, wurde eine Geschichte von zwei getöteten israelischen Mädchen in die Medien gesetzt. Dabei soll eines sogar von der eigenen Mutter erstickt worden sein, die das angeblich schreiende Kind mit einem Kissen zur Ruhe bringen wollte, um nicht selbst in das Visier der “Terroristen“ – wie es bei den Israelis heißt – zu geraten. Wenn aber Palästinenser, die ihr besetztes Gebiet im Kampf gegen Besatzungssoldaten befreien wollen, Schuld daran sind, dass eine Mutter ihr Baby aus Todesangst erstickt, welche Schuld tragen dann israelische Mütter, die ihre Babys auf besetztes Gebiet bringen, von dem Tausende einheimische Babys gewaltsam vertrieben wurden?

Dennoch, das alles ist noch nicht Erklärung genug, um die heutigen Reaktionen zu verstehen. Schließlich war die damalige Aktion von der damaligen PLF geleitet, die kaum islamische Ziele verfolgte, sondern aus einer rein nationalistischen Motivation heraus agierte. Und immerhin liegt die Aktion nunmehr fast 30 Jahre zurück! Was ist so anders an diesem Fall und dieser Person, dass Israel ihn nicht frei geben wollte und er zum mit Abstand langjährigsten Gefangenen Israels wurde?

Quntar wurde damals schwer verletzt festgenommen, nach seinen Angaben ohne Narkose operiert und nach seiner Genesung wegen Mordes zu vierfacher lebenslänglicher Freiheitsstrafe in Israel verurteilt. Anders als bei schiitischen Gefangenen hatte man bei diesem jungen Drusen in Israel die Hoffnung, dass man ihn “umerziehen“ und für die Belange Israels hätte einsetzen können, wie es bereits vorher bei einigen Drusen gelungen war. Daher durfte Quntar im israelischen Gefängnis Englisch und Hebräisch lernen. An der Open University von Tel Aviv erwarb er einen Abschluss in Soziologie. Der englische Titel seiner auf hebräisch geschriebenen Diplomararbeit lautet: „The Contradiction of Democracy and Security in Israel.“ Selbst heiraten durfte er im Gefängnis.

Aber all jene Behandlungen halfen nicht. Quntar entwickelte sich im Gefängnis immer mehr zu einem Sympathisanten der Hisbollah und der islamischen Befreiungstheologie. Als der Drusenanführer Dschumblatt sich zuletzt gegen die Hizbullah stellte, schmuggelte Quntar Botschaften aus dem Gefängnis heraus, dass sich die Drusen mit Hizbullah-Anführer Nasrullah verbinden sollen. Während sein Mitgefangener Truppengefährte bereits 1986 ausgetauscht wurde, stellte Quntar eine Gefahr für Israel dar und wurde daher nicht frei gelassen.

Für die Hizbullah ist der heutige Austausch ein mehrfacher Erfolg. Der Austausch erfolgte genau zum Geburtstag Imam Alis (a.). Zwar hat die westliche Propagandapresse so die Gelegenheit zu behaupten, dass außergewöhnliche Feierlichkeiten anlässlich der Freilassung im ganzen Land stattfinden, aber in der muslimischen Welt ist man sich des Symbolcharakters dieser Freilassung durchaus bewusst. Denn dadurch steigt auch das Ansehen der Hizbullah bei den Drusen, nachdem sich schon die Christen im Land mehrheitlich hinter die Hizbullah gestellt haben. Dabei gehen viele davon aus, dass Israel sich selbst eliminieren wird, wie einstmals die UdSSR oder das Apartheidsregime von Südafrika. Zwar sind heute noch viele Israelis betäubt von der Propaganda, dass ein angeblicher Kindermörder frei gekommen sei, aber irgendwann wird sich auch die eigene Bevölkerung fragen, wer letztendlich die Schuld daran trägt, dass so viele Kinder auf beiden Seiten sterben.

Kein Muslim wird wissentlich die Freilassung eines Kindesmörders feiern! Und kein seine eigene Religion kennender und gebildeter Muslim wird annehmen, dass Juden im Allgemeinen so etwas tun würden oder Christen! Umso erstaunlicher ist es, dass es offenbar möglich ist, jenes Märchen einer breiten Leserschaft in der westlichen Welt zu verkaufen. So lange man aber Muslime als Monster verkauft, ist niemandem gedient außer jenen, die die Freiheit aller Menschen beschneiden wollen, um sie zu beherrschen.

Frieden in der Region wird es – völlig unabhängig vom heutigen Fall – erst dann geben, wenn der Zionismus überwunden wird. Und das können Juden, Christen und Muslime gemeinsam schaffen. Danach wird keine Mutter mehr um den Verlust des eigenen Babys durch Besatzung oder Widerstand gegen die Besatzung weinen müssen. Und inschaallah – so Gott will – wird das schon bald sein.

Eine Schlussbemerkung sei der deutschen Vermittlung des Gefangenenaustausches gewidmet. Sie hat sich geschichtlich entwickelt und noch vertrauen beide Seiten der deutschen Gründlichkeit. In wieweit Deutschland aber diese Rolle auch in Zukunft angesichts der zunehmenden Islamfeindlichkeit im Inneren wie im Äußeren spielen kann, wird sich zeigen.